Nach einem erneuten Sprung aufs Surfboard radeln wir weiter. Kohukohu, Kaikohe, Opononi, Tutukaka - ein Ortsnamen klingt schöner als der andere. Doch einfach zu merken sind sie nicht. Es kann schon vorkommen, dass wir in einem kurzen Gespräch mit Einheimischen überzeugt äussern heute nach Kakatutu zu fahren. Erst nach einer irritierten Rückfrage realisieren wir dann, dass uns das Namensgedächtnis wohl einen Streich gespielt hat. Das wechselhafte Wetter ist uns wohlgesonnen und meist scheint die Sonne während unserer fünften Etappe. Eine fantastische Route führt uns weiter in den Süden nach Kohukohu, wo wir neben der Tree Lodge unser Zelt auf einer Schaffkoppel aufstellen dürfen. Wir sind die einzigen Gäste. Rhys erzählt uns beim Check-in, dass er erst einen kurzen Spaziergang mit seiner Familie machen wird und dann Abends noch eine Jamsession mit Freund:innen bei ihnen stattfindet. Wir finden beides toll und reagieren begeistert. Er meint: "Ihr könnt euch gerne anschliessen." Wir nicken, möchten aber erstmal duschen und Znacht essen. Als wir nachdem Aufbau des Zelts ein paar Gummibärchen als Zwischensnack vertilgen, kommt Rhys zu uns und fragt nach, ob wir nun mitkämen - sie würden nun aufbrechen. Jonas schnappt sich seine Kamera, um in der Dämmerung hoffentlich ein paar Vögel zu fotografieren. Wir spurten zum Auto unseres Gastgebers - offenbar müssen wir noch ein Stück zum Ausgangspunkt des Spaziergangs fahren. Erst unterwegs realisieren wir, dass wir nicht spazieren gehen. Die besagte Jamsession findet nicht bei Rhys und Claire zuhause statt, sondern bei einem Freund. Eine 20minütige Autofahrt später finden wir uns mit knurrenden Mägen unter einem Haufen Althippies wieder, die den ganzen Abend im privaten Konzertlokal Soundgarden gemeinsam musizieren werden. Nicht nur die Ortsnamen auf Maori, auch das neuseeländische Englisch hat offenbar manchmal so seine Tücken ... Da am Anlass ganz neuseeländisch "bring your own" gilt und wir lediglich eine Kamera dabei haben, begnügen wir uns mit einem Glas Wasser. Wir tauchen ein in die musikalischen Darbietungen, geniessen den unerwartet geselligen Abend und staunen über das bunte selbstbemalte Haus mit eigener Konzertbühne. Erst um Mitternacht verschlingen wir den langersehnten Teller Spaghetti. Am nächsten Morgen fahren wir nach einer kurzen Fährenfahrt und einem zweiten Frühstück am Terminal von Rawene aus Richtung Waipoua Kauri Forest. Leckerer Kuchen und starker Kaffee verleihen uns Schwung, den wir brauchen können. Täglich fahren wir 1000 Höhenmeter die Hügel hoch, denn von Tunneln und Galerien hat hier scheinbar noch niemand gehört. Unterwegs treffen wir nun auch andere Velofahrende, die auf derselben oder einer kürzeren Veloreiseroute unterwegs sind. Den grössten Teil der sechsten Etappe fahren wir durch den Waipoua Wald in dem besonders viele und alte Kauribäume stehen. Helen möchte unbedingt den Tane Mahuta besuchen, einer der ältesten Bäume der Erde. Seit geschätzt 2000 Jahren gibt es diesen Baum schon, rund 50 Meter ragt er in die Luft. Eindrücklich unter einem so mächtigen Baum zu stehen! Wir verbringen eine Nacht mitten im Wald auf einem Campingplatz, nachts weckt uns der ulkige Schrei eines Kiwis. In weiteren zwei Etappen durchqueren wir die Nordinsel von Westen nach Osten. Nach einem ersten Zwischenstopp in Kaikohe, freuen wir uns auf den Twin Coast Cycle Trail. Doch dieser Fahrradweg raubt uns wider Erwarten den letzten Nerv. Fluchend satteln wir unser Gepäck rund 30 Mal ab und wieder auf. Installierte Gatter hindern nicht nur Motorradfahrende daran den Veloweg zu benutzen, sondern machen auch uns Tourenfahrenden das Leben schwer. Noch nie auf unserer Reise bisher haben wir beide an einem Tag soviel geschumpfen (Zitat Jonas: "Diese verdammten Bürolisten, Sesselfurzer das, die das geplant haben!"). Als Krönung folgt kurz vor dem Ziel noch eine Umleitung über eine vielbefahrene Strasse ohne Seitenstreifen. Naja, auch solche Tage gibt's. Umso schöner am Abend von zwei weiteren herzlichen Warmshower-Hosts empfangen und bekocht zu werden. Es gibt Röschti - mmmmh! Selber waren Eion und Lisette schon zweimal in Aarau und der Zufall will's, dass sie damals sogar bei Bekannten von uns übernachtet haben. Kurz vor Aufbruch am nächsten Tag setzt erneut Starkregen ein, die beiden holen uns kurzerhand zurück ins Haus und kochen uns noch einen Kaffee, einen neuseeländischen "Flat White". Danach schwingen wir uns auf die Fahrräder und fahren der Ostküste entlang weiter Richtung Süden. Es regnet und windet so stark wie noch nie, wir beschränken uns auf zwei kurze Stopps, verpflegen uns mit Riegel und Bananen. Wenige Kilometer vor dem Ziel machen wir halt in einem kleinen General Store, völlig durchnässt stärken wir uns mit Cola und Chips - Heissgetränke gibt es keine zu kaufen. Naja, auch solche Tage gibt's. Unser Aufsteller: Während wir im Unterstand darauf warten, dass der Regen endlich etwas nachlässt, schenkt uns ein Junge zwei warme Pies. Er und sein Vater sind bereits vor einer Viertelstunde an uns vorbeigefahren und haben offenbar kehrt gemacht, um uns zu beschenken. Was für eine wunderbare Geste! Eine Stunde später machen Wind und Regen eine kurze Pause, wir düsen zum Campingplatz und stellen das Zelt auf einer kleinen Anhöhe auf. Wir hechten hinein und sind froh in ein gutes Hillebergzelt investiert zu haben! Denn kaum liegen wir in den trockenen Schlafsäcken herrscht erneut Weltuntergangsstimmung rund herum. Wir spielen Solitär und Jassen bis uns müde die Augen zufallen. Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Bei strahlendem Wetter fahren wir nach Kakatutu, ... äh Tutukaka.
4 Kommentare
K
27/11/2022 14:36:53
Wie chömed ehr eigentlich mit em Linksvercher zrächt? Sind ehr am Ahfang au ap und zu us Geisterfahrer underwägs gsii?(-:
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Jonas
29/11/2022 07:56:16
Mettlerwiile rächt guet (wemmer ned grad en stränge Obe gha händ :-D )
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Mario
9/1/2023 16:15:38
So schön von euch zu lesen! So viele Fragen habe ich, die mich sicherlich mehrere Stunden an die Tasten fesseln würden...
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Jonas
11/1/2023 10:14:37
Hey Mario,
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