Ein ausgiebiges Frühstück und einen Besuch im Wäschesalon später schwingen wir uns kurz nach dem Mittag endlich auf unsere Fahrräder und werden - sorry für die Wiederholung, uns nervts auch langsam - schon bald erneut verregnet. Fluchend und völlig durchnässt strampeln wir den Berg hoch. Wir sind uns sicher: Bald schwemmt es den Neuseeländer:innen ihre Insel davon. Oder sie bricht auseinander. Oder beides. Überall hat es Erdrutsche. All' paar hundert Meter liegen Gesteinsbrocken neben oder auf der Strasse. Genau deswegen sind wir heute auf einer alternativen Strecke unterwegs, da die eingeplante Route - ein weiterer Mountainbike Trail - aufgrund einer niedergegangenen Schlammlawine unzugänglich ist. Nach halber Strecke finden wir einen überdachte Bushaltestelle und machen eine Pause. Wir packen ein paar Snacks aus und kochen auch gleich noch Kaffee dazu. Für irgendetwas hat man ja schliesslich einen Gaskocher als ständigen Begleiter dabei. Wir warten und prüfen den Regenradar. Immerhin: Die trockenen T-Shirts die wir aus der Saccoche fischen sind noch warm vom Tumbler. Als das Gröbste vorbei ist, wagen wir uns aus dem Unterstand hervor und kämpfen uns fluchend den letzten steilen Hügel hoch Richtung Tongariro Nationalpark. Heute machen wir Captain Haddock in der Wortwahl definitiv Konkurrenz. Noch rechtzeitig treffen wir kurz vor 19 Uhr beim Supermarkt ein, danach sind es nur noch wenige Kilometer bis zum Mangahuia Zeltplatz. Um den strengen Tag gemütlich abzuschliessen, kocht Jonas Helen ein Geburiznacht. Tags darauf scheint die Sonne und unsere Kleider trocknen dampfend während wir das Zelt einrollen. Nun wird die ganze Schönheit dieses Nationalparks sichtbar, der Kraterrand des Vulkans Mount Ruapehu ist eingezuckert mit Schnee. Alles macht Sinn. Wegen diesem wunderbaren Anblick haben wir gestern keinen Pausentag in Taumaranui eingelegt, sondern sind trotz Regen weitergefahren. Und was für ein eindrücklicher landschaftlicher Kontrast. Wir verbringen den Vormittag im Nationalpark und besichtigen die Tawhai Wasserfälle, an denen eine weitere Szene aus Herr der Ringe gedreht wurde (Gollums Pool). Am Nachmittag geht's dann grösstenteils bergab nach Pipiriki, vom Hochplateau hinunter in ein subtropisches Klima an den Fluss Whanganui. Im kleinen Dorf gibt es einen einzigen, doch wunderschönen Zeltplatz. Das kleine Unternehmen bietet auch Tagesausflüge an und wir entscheiden spontan am nächsten Tag eine Jetboattour zu machen. So können wir nach einer rasanten Fahrt doch noch - wenn auch zu Fuss - die wunderschöne Bridge to Nowhere besichtigen. Diese wäre Teil des gesperrten Mountainbike Trails, an dessen Ende wir uns mit unseren Fahrrädern vom Jetboat hätten abholen lassen. So kommen wir doch noch auf unsere Kosten und der Kapitän lässt sich sogar zu ein paar 360 Grad-Umdrehungen hinreissen. Eine Teilstrecke paddeln wir danach den Fluss im Kanu hinunter zurück. Nun geniessen wir die Stille, klettern zu einer Höhle und beobachten Tiere. Das nächste Gewitter braut sich bereits zusammen, als wir in Pipiriki anlegen. Und während draussen der Himmel erneut die Schleusen öffnet, kochen wir im warmen Aufenthaltsraum glücklich unsere Fertignudeln. Dunkle Wolken verfolgen uns auch am nächsten Tag, an dem wir entlang des Whanganui Rivers das Tal hinab rollen. Wir entkommen ihnen und radeln eine schöne Strecke, die uns an einem Tag durch die Dörfer Jerusalem, London und Athen führt. Ein kleines Kaffee bietet frische Pancakes an, ein Bauer hält uns an und zollt uns ehrlich erstaunt Respekt dafür, dass wir ohne Elektroantrieb und mit soviel Gepäck von Cape Reinga bis hierher gefahren sind. Er fahre nur in der Stadt Velo und dies mit seinem E-Bike. Wir verabschieden uns lachend voneinander - was für eine sympathische Begegnung. In Whanganui angekommen übernachten wir am Stadtrand auf einem kleinen etwas heruntergekommenen Campground. Das grosse Plus: Das Restaurant daneben. Wir schlagen uns die Bäuche voll und investieren einmal mehr in leckeres Essen. Beim Start am nächsten Tag, wir können es kaum glauben, begegnen wir doch tatsächlich noch einmal dem Bauern vom Whanganui River. Nun ist er auf seinem E-Bike unterwegs und fällt fast vom Rad als er eine Vollbremse zieht nachdem er uns wiedererkannt hat. Man sieht sich eben immer zweimal im Leben. Ein alter Lift erspart uns fast 100 Höhenmeter auf unserem Weg aus Whanganui heraus. Danach folgt eine Durststrecke. Oder besser gesagt eine regnerische mehrtägige Fahrt durch die Landwirtschaftszone Neuseelands. Wir bewähren uns als Velocowboys und treiben diverse entlaufene Tiere an. Kühe, Schafe, Stiere, schottische Hochlandrinder - so ziemlich alles begegnet uns auf der Strasse. Da wir erneut ein Loch in unserer Campingmatte haben und es munter weiterregnet, gönnen wir uns in Palmy (Palmerston North wird so von den "locals" abgekürzt) eine Hotelübernachtung und einen Besuch in einem Pub. Inzwischen hat es soviel geregnet, dass Jonas' Fahrradgriffe zu schimmeln angefangen haben. Nennenswertes Highlight ist sicherlich das Pukaha National Wildlife Center, in dem wir dank verdrehtem Tag-Nacht-Rhythmus den ersten (und wahrscheinlich einzigen) Kiwi beobachten können. In Martinborough treffen wir die Österreicher:innen Tobi und Nadja mit ihrer Tochter Naima im Supermarkt. Sie sind zu dritt mit dem Rad unterwegs und übernachten auf demselben Campingplatz. Ein unerwartet vergnüglicher Abend verbringen wir mit ihnen, teilen unser Dessert und erzählen uns Geschichten vom Leben und vom Reisen. Den nächsten Tag gehen wir aufgrund des Regens gemütlich an und fahren bis auf den Remutaka Summit. Die letzten drei Etappen vor Wellington haben noch so einige Highlights zu bieten. Die historische Zugstrecke wurde umfunktioniert in einen Radweg und führt uns auf einer spektakulären Strecke durch Tunnels und über Hängebrücken ins nächste Tal. Auf dem Gipfel zelten wir ein letztes Mal bevor wir nach Wellington radeln. Die Stadt kommt uns laut und schmutzig vor nach sovielen Tagen in der Natur. Wir konzentrieren uns auf die Vorteile einer Grossstadt und stossen mit einer Flasche Rotwein beim Italiener auf unsere Durchquerung der Nordinsel an. Mit 2097 Kilometern und 31'343 Höhenmetern in den Beinen haben wir uns das mehr als verdient. Möge uns nur noch die Sonne finden auf der Südinsel.
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